Huf- und Waffenschmiede Obergurig

Der Begriff „Huf- und Waffenschmiede“ hatte berechtigte Verwendung im Mittelalter gefunden und war oft noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts als traditionelle Bezeichnung für dieses Handwerk erhalten geblieben. Früher bestand im jeweiligen Ort ein enger Zusammenhang zwischen einem Rittergut und einer Huf- und Waffenschmiede.

Mit dem Wegfall bestimmter Lehndienste und Bedingungen wurde aus der Huf- und Waffenschmiede eine Hufschmiede bzw. eine Schmiede allgemein. Dies alles trifft mehr oder weniger auf die Entwicklungsgeschichte unserer Schmiede in Obergurig zu. Für ihren Ursprung sind bisher noch keine vollständigen bzw. endgültigen historischen Quellen ausfindig gemacht worden. Mit großer Sicherheit wird angenommen, dass die Schmiede bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bzw. in der ersten des 18. Jahrhunderts bestanden hatte.

Schmiedetätigkeiten wie die Herstellung und Reparatur von Hieb- und Stichwaffen, Handfeuerwaffen, Ritter- und Pferderüstungen wurden bereits damals von der Hufbeschlagung sowie der Herstellung und Ausbesserung von Landwirtschafts-, Garten-, Stall- und Hauswirtschaftsgeräten abgelöst.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in Obergurig immer mehr an der Nachfertigung und Reparatur von Maschinen- und Geräteteilen für die verschiedenen Handwerksbetriebe, für die Mahl- und Papiermühlen sowie für die Landwirtschaft gearbeitet.

Die letzten zweihundertfünfzig Jahre des Schmiedehandwerkes in Obergurig waren im Wesentlichen von zwei Familiendynastien geprägt, von den Martschinks und den Wirths.

Ein gewisser Peter Martschink hatte in den Jahren 1788/1789 die Huf- und Waffenschmiede von dem damaligen Rittergutsbesitzer und Advokaten zu Obergurig, Johann Michael Buder, erworben. Peter Martschink modernisierte die Schmiede, baute Wohn- und Wirtschaftsgebäude, kaufte weitere Grundstücke auf und verkaufte schließlich im Jahre 1817 das gesamte Anwesen an seinen Sohn, den Hufschmiedemeister Jacob Martschink.

Peter Martschink wirkte in der Folgezeit als Erbrichter und Gemeindevorstandsmitglied in Obergurig, erwarb 1830 eine Erbgerichtschenke samt Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und weiteren Landbesitz an Feldern, Wiesen und Wäldern; 1843 starb er.

Sohn Jacob Martschink vergrößerte im Laufe der Jahre den ehemaligen Besitz des Vaters durch weitere Grundstückskäufe; 1842 wurde auch er in den Gemeinderat zu Obergurig gewählt.

Er wiederum verkaufte im Jahre 1850 den gesamten Besitz an seinen Sohn, den Schmiedemeister Carl Traugott Martschink.Die Traditionen in der familie, sowohl des Schmiedehandwerkes wie auch der gesellschaftlichen Tätigkeiten, fanden auch in dieser Generation ihre Fortsetzung. Bemerkenswert sind bei Carl Traugott Martschink seine täglichen Aufzeichnungen über alle durchgeführten Arbeiten in einem „Auftrags- und Abrechnungsbuch“, das für den langen Zeitraum vom 03. Januar 1870 bis31. März 1886 vorliegt. Diese Aufzeichnungen geben detailliert Aufschluss von der Arbeitsvielfalt und

-breite und mit dem entsprechenden Preis für jede einzelne Tätigkeit Auskunft über Kosten und den Verdienst. Es ist das einzige derartige Nachweisbuch aus der Oberguriger Schmiede.

Von 1870 bis zu seinem Tode im Jahre 1891 war Carl Traugott Martschink als Gemeinderatsmitglied in verschiedenen Ämtern tätig sowie im Schul- und Kirchenvorstand vertreten.

In seinem Testament vererbte er für die Armen der Parochie Großpostwitz eine Geldsumme von 22 000 Mark und gründete damit das Martschinksche Legat, das von 1894 bis 1922 jährlich an die Armen der zu dieser Parochie gehörigen Kirchengemeinden einen bestimmten Betrag auszahlte.

Ab dem Jahre 1904 war Johann Ernst Wirth der neue Schmiedemeister von Obergurig. Die Schmiedewerkstatt wurde in den Folgejahren erweitert und mit neuer Schmiedetechnik vervollständigt. Wirth hatte den gesamten Besitz an Haus-, Hof- und Wirtschaftsgebäuden, Felder Wiesen und Wälder von Amelie, verwitwete Martschink erworben.

Er war auch Mitglied des Gemeinderates, des Bezirksschulvorstandes und Stellvertreter des Feuerwehrhauptmanns von Obergurig.

Im Jahre 1924 übernahm sein Sohn, Johannes Gerhard Wirth, die Schmiede und führte dörflichen Kleinbetrieb bis 1987.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb er die entsprechenden Gewerbescheine als Landmaschinen-Reparaturwerkstatt und als Installateur für Wasser- und Flüssiggasanlagen.

Nach seinem Tode im Jahre 1989 wurde der traditionsreiche Oberguriger Schmiedehandwerksbetrieb geschlossen.

Das Wohnhaus, ein in Obergurig selten gewordenes Umgebindehaus, war bis 1993 noch teilweise bewohnt. Das, Anfang der zwanziger Jahre bereits schrittweise, zum Wohnhaus umgebaute Wirtschaftsgebäude der Schmiede wird bis zum heutigen Tage als Wohnraum genutzt.

2009 erwarb der Verein „Holzhaus Bautzen“ das Grundstück (Wohnhaus mit Schmiedewerkstatt und Schuppen) und plante eine komplette Sanierung der Gebäude.

Über das Inventar der Schmiedewerkstatt hat 2010 der „Heimatverein Obergurig e.V.“ mit dem ehemaligen Besitzer des Grundstücks einen unbefristeten Nutzungsvertrag abgeschlossen, mit dem Ziel, ein Schmiedemuseum aufzubauen.

Nach Insolvenz des Vereins „Holzhaus Bautzen“ (2013), kaufte die Gemeinde Obergurig  im Jahre 2015 das Grundstück auf und hat 2017 dieses dörfliche Denkmal zu sanieren begonnen; dazu wurde der Förderverein „Alte Schmiede Obergurig e.V.“ gegründet und Fördermittel beantragt.

Text Diethard Mardek

Heimatverein Obergurig e.V.