19. Der Feuerreiter

Ein Februarnachmittag des Jahres 1830. Tief verschneit liegen die kleinen Häuschen in Kleindöbschütz am Fuße des Mönchswalder Berges. Sie bieten den armen, fleißigen Menschen Schutz vor der grimmigen Februarkälte. Hier und da drückt sich ein kleines Stubsnäschen gegen die Fensterscheiben, nachdem der Atem in die feinen Eiskristalle ein Loch geleckt hat. Nur für kurze Zeit wird der Blick in den dämmernden Tag frei. Hankas Augen waren es, die sehnsüchtig nach der Mutter schauen. Nun wendet sich Hanka wieder ihren Geschwistern zu, die mit Flachsfaserresten ein lustiges Spiel treiben. Das Spinnrad, an dem sonst die Mutter sitzt, schnurrt heute nicht. Mutter bäckt Krapfen für das Fastnachtsfest. Anschließend wird sie im warmen Backofen noch Flachs rösten, so denkt eben der Älteste unter den Geschwistern. Da es nun schon dunkel geworden ist, zündet er ein Talglicht an und schiebt die Fensterläden zu.

Von neuem beginnt das Spiel mit den Flachsfasern. Ganz toll geht es in der kleinen Stube zu. Da hat sich eine ganze Strähne an den Sachen, die an der Wand hängen, verfangen und hängt gerade in das Talglicht. Im Nu brennen der Flachs und auch schon die an der Wand hängenden Kleider. Hilfe! Feuer! Schreiend stürzen die Kinder ins Freie und suchen Hilfe. Augenblicklich steht das mit Schindeln bedachte Häuschen in Flammen. Wo ist aber Hanka geblieben? Da ein Wimmern im brennenden Haus. Sie ist im Feuer!

Beherzt schreitet ihr Onkel, Johann Marschner, durch die Flammen. Es dauert nur einen Augenblick und die 6jährige Hanka auf dem Arm, tritt er mit rußgeschwärztem Gesicht und angesengten Haaren ins Freie. Das ging noch einmal gut. Aber noch etwas entriss Onkel Johann den Flammen; eine alte sorbische Bibel. Schon hatten die Flammen an ihr gezündelt und in einige Seiten ein Loch von der Größe eines Gänseeis hineingebrannt. Das ist nun alles, was gerettet werden konnte. Untätig steht man da, niemand kann hier helfen – eine Feuerwehr gab es noch nicht. Die um den Brand Herumstehenden merkten gar nicht, dass der Funkenregen die benachbarten Häuser mit in Brand gesetzt hat. Ein Wind kommt auf. Zwei, drei, vier Häuser werden vom Brand erfasst. Der ganze Straßenzug bis zur Tischlerei Lischke steht in Flammen.

Oskar Thiermann, von Beruf Kutscher, sitzt gemütlich am warmen Ofen und merkt nichts von der Katastrophe, die auch bald seine Wohnung zu erfassen droht. Man spricht, dass er mehr kann als die übrigen. Doch da ist er schon und rennt, als würde er von Hunden gehetzt, die Straße entlang nach Obergurig. Nur kurze Zeit vergeht. Ein Reiter auf einem Schimmel galoppiert dem Brande zu. Es ist Oskar Thiermann, von dem man sich wunderliche Dinge erzählt. In die schmale Gasse zwischen seinem Haus und der Tischlerei reitet er. Die vom Unglück Betroffenen und die Schaulustigen sind nicht wenig erstaunt, als der Wind, der eben noch vom Morgen kommt, sich dreht. Der Brand ist eingedämmt.

„Der Feuerreiter hat den Brand versprochen“, so geht es von Mund zu Mund.

Sechs Familien haben durch diese Feuersbrunst ihr Hab und Gut verloren. Sie finden Obdach in der nahe gelegenen Brauerei. An der Stelle der Feuersbrunst stehen heute noch die nach dem Brand mühsam errichteten Wohnstätten.