2. Der Wassermann in der Oberguriger Mühle

Der Müller in der Oberguriger Mühle versorgte sich seit alter Zeit, auch von Fischen und Krebsen aus dem Mühlgraben. Nun lebte in der Mühle von Hainitz ein Wassermann, der auch gern Fische verspeiste. In Großpostwitz, das Ratsdorf  vom Bautzen war, gab es einen Ratsfischer der vom Treiben des Wassermanns nicht angetan war. Er konnte den Müller von Hainitz veranlassen, einen Bären zu halten. Als einmal der Wassermann sich in der Mühle Fische kochte, kam der Bär dazu und stürzte sich auf den Wassermann, so dass dieser entfloh. Einige Zeit später fragte er den Müller, ob er noch die große Katze hätte. Der erwiderte: „Ja und sie hat neun Junge bekommen, die sind noch neun mal ärger als die Alte!“ Da ließ sich der Wassermann nicht mehr in der Hainitzer Mühle blicken und machte sich nun auf nach Obergurig, um aus den dortigen Mühlgraben Fische zu angeln.

 

Der Müller von Obergurig merkte natürlich bald, dass der Fischbestand auf Grund des Treibens des Wassermanns abnahm. Nun fürchtete er aber auch um seine Kinder. Hatte er doch schon eins verloren, welches beim Spielen im Mühlgraben ertrank. So ließ er den Wassermann gewähren. Der versprach, dass nie mehr ein Kind des Müllers im Wasser umkommen werde. Das ist auch bis heute nicht mehr passiert. Der Wassermann trieb es aber arg mit den Fischen im Mühlgraben. Er versorgte seine ganze Wassermannverwandtschaft von Obergurig über Bautzen bis nach Niedergurig mit den Fischen aus dem Mühlgraben der Oberguriger Mühle.

 

Nun sann der Müller auf eine List. Als einmal im Winter der Mühlgraben zugefroren war, lockte er den Wassermann mit einem leckeren Fischgericht in die Radstube der Mühle. Das ist dort, wo sich früher noch das große Mühlrad drehte und das Räderwerk Tag und Nacht in Gang war, schon von weiten konnte man das Geräusch vernehmen. Dort sperrte ihn der Müller ein. Damit er nicht durch den Mühlgraben entkommen konnte, hatte er vorher diesen am Ein- und Ausgang mit starken eisernen Rechen versehen. So musste nun der arme Wassermann sein ganzes weitere Leben in der Radstube verbringen. Der Müller versorgte ihn zwar mit dem Nötigsten, doch die Freiheit gab er ihn nie wieder.

 

Als der Wassermann merkte, dass er nie wieder entkommen konnte, verfluchte er den Müller und die Mühle. Als der Müller starb, konnte Niemand die Mühle weiter betreiben. Die Mühle verfiel und das große Wasserrad stand für immer still.

 

Der Fluch von der Mühle sollte erst verschwinden, wenn der Ausgang des Mühlgrabens wieder geöffnet wird. Dann wird die Mühle im neuen Glanz erstrahlen und fröhliche Menschen werden ein- und ausgehen und vielleicht leckere Fischgerichte in der Mühle verspeisen. Heimatlieder werden in der Mühle erklingen und alte und neue Gerätschaften zu bewundern sein. Auch das alte Wasserrad wird sich dann wieder drehen.

 

Bis es aber soweit war, mussten viele fleißige Leute beim Wiederaufbau helfen. Nun kann auch eines Tages der Wassermann wiederkommen.